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Risiko Notaufstieg: Theorie und Praxis-Tipps für den sicheren Aufstieg im Notfall

Scuba Divers Descending Holding a Rope to a Shipwreck in the Red Sea in Egypt

Wenn Taucher die Kontrolle verlieren, kann das zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Ein Notaufstieg ist bei einem unerwünschten Zwischenfall oder bei einer vermeintlichen Bedrohung der letzte Ausweg. Doch er will trainiert werden, sonst kann auch er gefährlich sein. Ein Beitrag in Kooperation mit DAN Europe.

Von Dr. Petar Denoble, M.D., D.Sc und Eric Douglas 

Taucher sind in Standardnotaufstiegsverfahren ausgebildet, so dass sie, wenn sie sie denn richtig durchführen, Gefahrensituationen entschärfen können. Nur wenige üben jedoch diese Fertigkeit und wenn sie in einer kritischen Lage angewendet werden soll, dann besteht das Risiko, dass der Taucher sich ernsthaft verletzt oder sogar umkommt.

Die Statistiken: Notaufstiege bei 30 Prozent der Todesfälle
Bei einer kürzlich durchgeführten Analyse von 964 Todesfällen beim Tauchen haben wir festgestellt, dass in 30 Prozent der Fälle Notaufstiege eine Rolle gespielt haben – bei 288 Fällen, um genau zu sein. Bei 189 dieser Notaufstiege wurde ein schneller Aufstieg (schneller als 30 Zentimeter pro Sekunde) bezeugt oder aufgezeichnet. Bei zehn Prozent der Notaufstiege versuchten die Taucher frei aufzutauchen, also ohne Atemgas zu atmen. Bei acht Prozent der tödlichen Notaufstiege spielte Wechselatmung eine Rolle. In den übrigen Fällen wurde nicht näher auf die Art des Notaufstiegs eingegangen.

Der häufigste Auslöser eines Notaufstiegs ist Atemgasnot während des Tauchgangs – eine Ursache, die man komplett vermeiden kann. Mehr zu diesem Thema in „Tauchsicherheit: kein Zufall“ (AlertDiver.eu, 2013; 52 – nur für registrierte DAN-Mitglieder lesbar).

Die häufigste Todesursache bei Notaufstiegen sind arterielle Gasembolien (AGE). Sie sind für 54 Prozent der Todesfälle verantwortlich, gefolgt von Ertrinken mit 18 Prozent, akuten Herzleiden mit sieben Prozent und Dekompressionskrankheiten mit fünf Prozent. AGEs ähneln Schlaganfällen. Es kommt ganz plötzlich zu Schwäche und nur Minuten nach dem Auftauchen normalerweise zur Bewusstlosigkeit. Oft wird ein Taucher vor oder direkt nach dem Ausstieg aus dem Wasser bewusstlos.

Das Risiko in den Griff kriegen: Nie unter Wasser die Luft anhalten
Als Taucher lernen wir alle, dass wir unter Wasser die Luft nicht anhalten sollen.  In einer Notsituation vergessen Taucher das leider jedoch sehr oft und auch die Gründe dafür. Wenn ein Taucher aufsteigt und der Umgebungsdruck nachlässt, dehnt sich die Luft in den Lungen aus. Wenn der Taucher normal atmet, ist das kein Problem, denn das sich ausdehnende Gas entweicht durch jedes Mal, das ausgeatmet wird.

Gefährlich wird es, wenn der Aufstieg zu schnell ist und das sich ausdehnende Gas nicht entweichen kann oder wenn der Taucher beim Aufstieg die Luft anhält.  Das sich ausdehnende Gas muss irgendwohin entweichen. Es kann buchstäblich ein Loch in die Lunge des Tauchers reißen und so in den Körper gelangen.

Bei Verletzungen durch Lungenüberdehnung handelt es sich zum Beispiel um Mediastinalemphyseme (Luft zwischen den Lungen), subkutane Emphyseme (Luft unter der Haut) und Pneumothorax (Lungenkollaps). Aber das größte Problem entsteht, wenn entweichendes Gas in den arteriellen Blutkreislauf eintritt. Dann kann man es nicht daran hindern, direkt ins Gehirn zu wandern, dort einen Embolus zu bilden und den Blutfluss zu blockieren.

Ertrinken äußerst selten – Ausatmen beim Aufstieg!
In der kritischen Situation eines Notaufstiegs kann es sein, dass Taucher ihre Ausbildung vergessen oder nicht ausatmen, weil sie Angst haben, vor dem Erreichen der Oberfläche keine Luft mehr zu haben. Beim Aufstieg aus Sporttauchtiefen ist die sich ausdehnende Luft in den Lungen des Tauchers normalerweise mehr als ausreichend zum Überleben. Es kommt äußerst selten vor, dass ein Taucher ertrinkt, bevor er die Oberfläche erreichen kann.

Ausbildung, Training, Reserven einplanen und Plan einhalten
Wie sollte man also mit Notaufstiegen und den Verletzungsrisiken umgehen? Wie bei jedem Tauchnotfall, ist die beste Lösung erst einmal, die Risiken von vorne herein zu vermeiden. Die eigene Ausbildung sollte auf dem neuesten Stand sein und man sollte üben. Jeder Tauchgang muss sorgfältig geplant sein, aufgetaucht wird mit einer Atemgasreserve. Die Regel lautet: Folge Deinem Plan. Und natürlich sollte man den Luftvorrat regelmäßig kontrollieren.

Dennoch kann es sein, dass man alles richtig macht und trotzdem in die Situation gerät, einen Notaufstieg machen zu müssen. Wie geht man dann am besten vor?

Im Notfall: Tipps für einen sicheren Notaufstieg
Zunächst einmal: keine Panik. Schon im ersten Ausbildungskurs lernt man als Taucher, wie man Notaufstiege macht. Die beste Reihenfolge der Optionen:

  1. Mache einen kontrollierten Aufstieg und behalte dabei Deinen Atemregler im Mund.
  2. Finde Deinen Buddy und nimm seinen zweiten Atemregler (oder seinen ersten, falls er den zweiten nimmt, je nachdem wie seine Ausrüstung ausgelegt ist). Ziel dieser Option ist es, dass beide Taucher kontinuierlich Luft haben, so dass beide langsam und kontrolliert an die Oberfläche aufsteigen können.
  3. Wenn Du Deinen Buddy und auch keinen anderen Taucher erreichen kannst oder wenn Dein Buddy auch keine Luft mehr hat, dann führe alleine einen kontrollierten Aufstieg durch. Und nochmal: keine Panik. Vergiss nicht, dass Du vermutlich genug Luft in den Lungen hast, um bis zur Oberfläche durchzuhalten. Führe die einzelnen Schritte durch, die Du während Deiner Ausbildung gelernt hast. Behalte Deinen Atemregler die ganze Zeit über in Deinem Mund. Manchmal entweicht Luft und so bekommst Du nochmal einen zusätzlichen schnellen Atemzug. Atme den ganzen Weg zur Oberfläche entlang langsam und kontinuierlich aus und steige langsam auf.

Übung macht den Meister – auch beim Notaufstieg
Wie alle Tauchfertigkeiten, so sollten auch Notaufstiege regelmäßig geübt werden: Das geht auch mit dem Buddy im Schwimmbad. Dort kann man üben, mit Notautomat zu atmen und beim horizontalen Schwimmen den Notaufstieg üben.

FAZIT
Notaufstiege sind eine Reaktion auf lebensbedrohliche Situationen unter Wasser. Auch, wenn die Umstände in der Situation zur Eile zwingen, mit der richtigen Ausbildung und mit Übung und Vorbereitung können und sollten Notaufstiege genau die sichere Lösung sein, die für solche Fälle vorgesehen ist.